Dienstag, 20. November 2012

Allan Royston - In der Dunkelheit der Minen (Exzerpt)

14. Februar
Gestern haben sie eine neue Ader entdeckt. Acht Fuß breit, heißt es. Verdammt. Und ich hatte schon gehofft, dass wir bald die letzten Klumpen aus diesem gottverdammten Berg gekratzt hätten und das Werk hinter und lassen könnten. Selbst die Stollen von Sibirien waren erträglich im Vergleich zu diesem Höllenloch, zwar kein Zuckerschlecken, aber ich hab's überlebt. Hier bin ich mir nicht so sicher, ob ich jemals wieder rauskomme.

29. Februrar
Der Aufseher hat alle aus unserer Gruppe bis auf Iwan, Hans und mich zum Zerkleinern an der frischen Luft eingeteilt. Natürlich ohne Erklärung, warum wir hier unten bleiben müssen. Bastarde! O'Donnell scheint wirklich was gegen mich zu haben seit dem Vorfall mit dem abgesperrten Stollen vor drei Monaten.
Da oben ist's zwar fast noch anstrengender als hier - den ganzen Tag auf die großen Brocken einzuhämmern - aber ich wär trotzdem lieber an der Sonne, auch wenn ich einige Zeit bräuchte, um meine Augen wieder dran zu gewöhnen.
Inzwischen kann ich meine eigene Schrift kaum noch lesen, einerseits weil ich zittere beim Schreiben, und andererseits wegen meinen Augen. Ich frage mich, wie lange ich überhaupt noch schreiben werden kann - und außerdem frage ich mich, wozu ich das eigentlich mache. Hans hat sich schon über mich lustig gemacht, mich eine "zarte Schreiberseele" genannt - Als ob irgendetwas Zartes hier unten existieren könne.


10. März
Einer der Schürfer aus einem anderen Trupp ist heute zusammengebrochen und musste zur Klinik geschafft werden. Man munkelt, es sei Zuckerschock - Verständlich. Ich mach auch schon einen Bogen um alles Süße, dass wir vorgesetzt bekommen. Sachertorte gab's letztens - Igitt! Das machen die da oben nur aus Bosheit, das weiß ich genau!

15. März
Schon wieder mussten wir eine gigantische Ameisenkolonie ausräuchern. Wenn die mal eine Ader infizieren, heißt es schnell handeln oder wir verlieren einen Großteil davon, und O'Donnell würde uns die Hölle heiß machen. Richtig schlimm war es letztes Jahr als wir an einem Stollen relativ weit oben plötzlich von Wespen attackiert wurden - Ein Pole wurde gestochen und ist dran gestorben, hatte wohl eine Allergie oder sowas. Dafür haben wir denen dann ordentlich eingeheizt, da kam kein Viech lebend raus!



Allan Royston, genannt "der gute Roy", verbrachte die Hälfte seines Lebens in Zwangsarbeit. Seine zahlreichen Aufzeichnungen bieten wertvolle Einblicke für Historiker. 1874 verstarb er im Alter von 45 Jahren in einem Kandiszucker-Bergwerk.

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